Traumtour Sardinien 2023
Bericht: Rolf Schwanitz
Wenn man Geburtstag hat, dann gibt es eigentlich Geschenke. Zum 10. Jahrestag der SoziRider haben wir uns selbst beschenkt – mit einer Motorradtour im Mai 2023 nach Sardinien. Unzählige Stunden hat unser Tourguide in die Vorbereitung gesteckt, gute Partner vor Ort gefunden, Reise und Routen optimiert. Das Ergebnis hat sich wirklich gelohnt: Wir genossen eine Traumtour im sardischen Motorradparadies.
Schon die Anreise sollte diesmal zum Erlebnis werden. Langwierige, ermüdende und gefährliche Autobahn-Marathons wollten wir auf unseren Motorrädern unbedingt vermeiden. Deshalb haben wir schon die Hin- und Rückfahrt zur Fähre zwischen Genua und Porto Torres als Teil unserer Erlebnistour geplant. Der Start- und Endpunkt unserer Reise lag südlich des Bodensees im Landgasthof “Löwen” in Sulz (Vorarlberg). Das Haus ist einfach und überzeugt normalerweise mit seinem freundlichen Service und einer tollen Küche. Leider wurde dieser Eindruck bei der zweiten Übernachtung auf der Rückfahrt stark getrübt. Ohne Vorwarnung und gegen alle Öffnungszeiten hatte der Gasthof Theke und Küche kurzerhand verschlossen. Zum Glück fanden wir wenigstens unsere Zimmerschlüssel in einem Briefkasten. Wir finden: Das geht gar nicht! Deshalb leider, für den „Löwen“ in Sulz, Daumen runter.
Mit einer zweiten Zwischenübernachtung am südlichen Ende des Lago Maggiore hatten wir mehr Glück. Hier, in der „Albergo Residence Isotta“ in Veruno stimmten Qualität und Service. Deshalb Daumen hoch für das „Isotta“! Die schweizer und italienischen Alpen haben wir so zweimal stressfrei übersprungen. Die Routen auf der Hin- und Rückfahrt können so auch variieren – der schweizer San-Bernardino-Pass sollte aber zum Pflichtprogramm gehören.
Die Sardienentour lag zeitlich in der ersten Hälfte des Monats Mai. Das ist in vielerlei Hinsicht für Motorradfahrer auf der Insel ein idealer Zeitraum. Regentage haben hier Seltenheitswert. Die Temperaturen liegen an der Küste dann regelmäßig zwischen 18 bis 23 Grad und senken sich in den Höhenlagen entsprechend ab. Die Straßen im Hinterland und in den Bergregionen sind meist menschenleer und auch von des Bikers „bestem Freund”, den Bussen und Wohnmobilen, fehlt meist jede Spur. Für das touristische Sardinien ist das noch Vorsaison, was zusätzliche Vorteile bei Übernachtungen, Service und Preisen mit sich bringt. Wer also zeitlich flexibel ist, sollte Touren möglichst hierhin legen.
Unser Erfolgsrezept für die Tourenunterkunft auf Sardinien hieß erneut “Agriturismo”. Wir hatten schon früher damit gute Erfahrungen gemacht. Die erste Basisstation lag im Osten der Insel, denn hier wollten wir die kurvenreichen Gebirgsstraßen ausgiebig erkunden. Das “Su Solianu” gehört zum Ort Bari Sardo, liegt südwestlich von Arbatax und ist dafür ideal. Unsere Gruppe wohnte in einem modernen Gästehaus oberhalb eines kleinen Weinbergs. Der Blick reicht von hier bis zum Mittelmeer hinab. Alle Zimmer sind gut ausgestattet, einschließlich eines starken Wlans. Die jungen Gastgeber sind überaus freundlich und verwöhnten uns mit regionaler Küche. Das Agriturismo “Su Solianu” können wir aus vollem Herzen weiterempfehlen.
Der zweite Teil unserer Sardinientour führte in den Norden. Hier hatten wir uns für das Agriturismo “La Quercia della Gallura” entschieden, das zum Ort Luogosanto gehört. Das ist eine etwas größere Anlage, sogar mit Swimmingpool. Auch hier ist man kulinarisch an der richtigen Adresse. Das Wlan war aber nur auf das Hauptgebäude beschränkt und auch die Warmwasserversorgung etwas schwach auf der Brust. Wir haben uns in beiden Agroturismo-Häusern aber sehr wohl gefühlt. Für unsere Tourenzwecke waren sie perfekt.
Sardinien gehört geologisch zu den ältesten Formationen der Erde. Die Insel ist ein Teil des Urkontinents, wovon die beeindruckenden Basalt- und Granitformationen noch heute Zeugnis ablegen. Ein besonderes Geschenk für die Biker aus dieser Zeit ist der spezielle Sardinien-Asphalt, Wir konnten nicht entscheiden, ob er uns in seiner schwarzen, grauen roten Variante am liebsten war. Die hartkörnige und tiefporige Masse sorgt für einen festen Grip in jeder Kurvenlage. Dieser feine Schotter-Asphalt und das unerschöpflich scheinende Kurvenpotenzial setzen Sardinien unangefochten auf Platz 1 der besten Motorrad-Regionen in Europa. Das haben wir im Osten und im Norden der Insel ausgiebig genossen.
Die Routen und Ziele unserer Sardienientour vollständig beschreiben zu wollen, führte hier natürlich zu weit. Die Berge im mittleren Westen der Insel haben wir auf traumhaften Kurvenstrecken ausgiebig unter die Räder genommen – bis auf eine Höhe von 1.250 Meter. Den rot leuchtenden Meeresfels von Arbatax haben wir ebenso gesehen wie den Roccia dell’elefante bei Castelsardo und die Hauptstadt Cagliari. Die herrlichen Küstenstraßen im Westen und im Südosten der Insel waren ein Traum. Vergleichbare Topographien habe ich bislang nur auf dem berühmten Highway Nr. 1 in Kalifornien erlebt. Sardinien ist auch deshalb eine Top-Adresse für jeden Tourenfahrer.
Auf einer solchen Motorradreise gibt es natürlich auch viele Anekdoten, die einfach im Gedächtnis bleiben. Zwei davon sollen hier Erwähnung finden.
Am Ende einer Tagestour stellte eine Sozia plötzlich fest, dass die dicke Brieftasche verschwunden war. Alle Papiere des Reiseduos waren darin verstaut; Personalausweise, Fahrerlaubnisse, sämtliche Geldkarten und die Reisekasse natürlich auch. Das hätte vielleicht das Ende ihrer Sardinientour bedeuten können. Nach der ersten Panikwelle war schnell klar, dass die Tasche nur beim letzten Halt in der Pizzeria am Stuhl oder auf dem Tisch verblieben sein konnte. Telefonisch war dort niemand zu erreichen. Also fuhren die beiden Unglücksraben 60 Kilometer zurück in den kleinen Ort Oniferi, um zu retten, was noch zu retten ist. Dort liegt die Bar Pizzeria Goddi direkt an der SS 128 am Ortsausgang. Hier hat Concetta, die freundliche Wirtin, das Sagen mit einem Herz, so weit und groß wie die sardische Landschaft. Concetta kam gleich angerannt und hatte bereits Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um die Unglücklichen zu erreichen. Tränen sind geflossen und das Umarmen wollte fast kein Ende nehmen. Einen Finderlohn hat die Wirtin abgelehnt und stattdessen selbst noch zwei Espressi spendiert. Also liebe Biker: Tut uns den Gefallen und macht Station bei Concetta in der Bar Pizzeria Goddi. Ihr werdet es nicht bereuen. Man findet die Bar übrigens auch auf facebook und bei tripadvisor.
Ein besonderer Gruß gilt auch dem unbekannten Trucker, der uns anschaulich bewiesen hat, dass sardischer Eigengeist und Widerstand noch immer nicht gebrochen sind. Auf einer neu geteerten Nebenstraße im einsamen Hochplateau Sardiniens machte sich ein zweiköpfiger Trupp vom Straßenbau daran, die Mittellinie zu markieren. Eine Schnur als Richtmaß war gezogen und Pylonen wurden gerade von einer Gelbweste in exaktem Abstand mittig aufgestellt. Der LKW-Fahrer vor uns machte sich nun einen Spaß daraus, die rot-weißen Hütchen linksvorn mit großer Präzision anzufahren. Er traf sie immer exakt im unteren Drittel des gummierten Kegels, so dass die Rekuperation der Form sie im hohen Bogen nach links hinwegkatapultierte. Das war kein Zufall, sondern Vorsatz und bewies höchstes fahrerisches Können des sardischen Straßenkapitäns, denn zum rechten Fahrbahnrand verblieb dem Laster noch rund ein halber Meter. Die Gelbweste schmiss ihren Pylonenstapel weg, stieß unverständliche Flüche aus und ruderte wild mit den Armen, als wollte sie gleich vom Boden abheben. Die Szene erinnerte stark an einen Slapstick-Film aus längst vergangenen Zeiten. Wir konnten uns vor Lachen kaum auf den Maschinen halten. Ein Hoch auf alle Menschen, die ihren Humor noch nicht verloren haben.
Jede Traumtour muss aber auch einmal zu Ende gehen. Nach den 13 Tagen standen bei mir fast viertausend Kilometer mehr auf der Uhr. Alle sechs Biker waren sich einig: Das war ein ganz besonderes Erlebnis und ein wirkliches Geburtstagsgeschenk für die SoziRider.