Bikertraum am Ortasee und im Aostatal
Bericht: Rolf Schwanitz
Bella Italia im Sommer 2019 – das was das Ziel der SoziRider für volle acht Tage. Als Sammelpunkt hatten wir einmal mehr das „Waldhotel Schatten“, südlich von Stuttgart ausgewählt. Das hat zwar gehobenere Preise, ist im Service aber solide und verlässlich. Missfallen hat uns nur die neue Schrankenanlage vor dem Hotelparkplatz, die man mit einem großen Aufkleber mit „durchgestrichenem Motorradfahrer“ verziert hat. Wirkliche Alternativen für Motorbiker gibt es dort aber auch nicht. So richtig motorradfreundlich ist das also nicht – eigentlich schade. Mal schauen, ob es da in Zukunft nicht passendere Alternativen gibt.
Unser eigentliches Ziel haben wir dann am nächsten Tag mit 500 km Anfahrt-Weg ins Visier genommen. Pattenasco am Ortasee, südwestlich vom Lago Maggiore – dort lag unser erstes Basishotel, das Hotel „L‘ Approdo“. Das Approdo ist ein schönes Sporthotel mit großem Pool, Tennisplatz und Wellnessbereich direkt am Ufer des Ortasees. Die Lage des Hauses, dass für seine Gäste auch Halbpension anbietet, ist einfach herrlich. Die Parkplätze vor dem Haus sind reichlich und umzäunt. Das beste aber war nach einer anstrengenden Anfahrt mit einem Siebenkilometerstau vor den Gotthard-Tunnel ein gepflegtes, frisch gezapftes Bier von Fass und eine erstklassige italienische Küche, die alle Erwartungen erfüllt. Einziger Negativpunkt hier war das unterirdische Wlan, das wohl noch aus der digitalen Steinzeit stammt.
Der Lago de Orta – die kleine Schwester des Lago Maggiore – hat alles, um im Preis der besten Tourenorte an den norditalienischen Seen auf der Poolposition ins Rennen zu gehen: Eine mediterrane Bilderbuchkulisse, wo man nur schaut, verträumte Ortschaften in alpinen Schluchten, Pässe und Kurvenspaß ohne Ende und nicht so überlaufen, wie andernorts an prominenteren Plätzen. Für uns hatte „Der Orta“ deshalb nicht nur die beste Ausgangslage, sondern ist auch als Erster im Rennen über die Ziellinie gegangen. Damit durch diese Zeilen kein falscher Eindruck über uns entsteht: Wir sind „Genusstourer“, lieben kurvige Strecken, aber kommen nicht hierher zum Heizen, um den Bikern, die nach uns kommen, nur einen schlechten Ruf zu hinterlassen. Für die Touren hier noch einen Tipp von uns: Es gibt über den Lago Maggiore zwischen Intra und Laveno eine Fähre. Die transportiert ein Motorrad alle 20 Minuten für nur 7,50 Euro quer über den See. Dadurch ergeben sich noch einmal völlig neue Reichweiten und Touren, die unbedingt genutzt werden sollten.
Nach drei beeindruckenden Tourentagen haben wir, wie geplant, den schönen Ortasee verlassen und unser zweites Basishotel angesteuert. Es ging hinauf durchs Aortatal. Wir wollten hier unsere Reichweite in Richtung Westen erweitern bis hinein in die französischen Alpen. Das zweite Basishotel war hier das „Monte Emiliu“ in Charvensod auf 760 Höhenmetern oberhalb von Aosta, der Hauptstadt der gleichnamigen autonomen Region. Mit diesem Hotel hatten wir einen echten Glücksgriff getan. Das Hotel ist ein modern und liebevoll ausgestattetes Haus, das als freundlicher Familienbetrieb bewirtschaftet wird. Biker sind in diesem Ambiente bestens aufgehoben. Wir können das Hotel deshalb sehr empfehlen.
Unsere erste Tour hier im nordwestlichen Italien war bereits ein absolutes Muss für jeden, der mit dem Motorrad unterwegs ist. Es ging über Aosta auf herrlichen Serpentinen hinauf zum Großen San-Bernadino-Pass bis auf 2500 Meter, dann weiter über die Schweiz an Martigny vorbei bis nach Chamonix am Fuße des Mont-Blanc. Dieses Bergmassiv muss man einfach gesehen haben. Eine weitere Tour führte uns südwestlich über den Kleinen San-Bernardino-Pass bis in den berühmten französischen Wintersportort Val d‘ Isere und hinauf auf der D902 zum Pass du Col de L‘Isere. Hier haben wir es sogar auf rund 2800 Höhenmeter geschafft. Die 14 Grad Celsius hier oben oberhalb der Baumgrenze waren im Vergleich zu den 30 in Aosta eine willkommene Erfrischung. Mit weiteren Touren haben wir südlich von Aosta viele Alpentäler erklommen bis Liliaz, Le Pont und Thumel auf fast 2000 Metern. In unseren vier Tourentagen haben wir aber noch längst nicht alles erkundet, was man hier befahren kann.
Unser Fazit: Das Aostatal ist für Motorradtouren bestens geeignet. Es ist eine erste Adresse für all jene, die meinen, in den Dolomiten schon jeden Kilometer zu kennen und auf der Suche nach Alternativen sind. Die längere Anfahrt bis hier her sollte man dabei nicht scheuen, denn auch sie ist ein echtes Tourenerlebnis. Unsere Abfahrtroute nach herrlichen Tourentagen haben wir dann über den Großen San-Berardino-Pass nach Bern gewählt. Hier sollte man aber unbedingt den Verkehrsknoten Basel sowie die A5 vermeiden und besser über Schaffhausen in Richtung Norden fahren. Die Sommertour der SoziRider in 2019 war ein tolles Erlebnis – prall gefüllt mit den schönsten Routen in einer traumhaften Landschaft. Am Ende hatte ich über 3.400 Kilometer mehr auf meiner Uhr. Es gab für diese Reise ein klares Signal: Beide Daumen nach oben!
Zum Schluss wollen wir einen fatalen Fehlgriff nicht verschweigen. Einer unserer Fahrer hat beim Tankstopp wohl nicht so ganz genau hingeschaut und seine BMW mit Diesel abgefüllt. Noch bevor er seine Maschine starten konnte, kam zum Glück der Tankwart angerannt und informierte über das Malheur. Nun war guter Rat teuer und wir kramten schon nach der Nummer für die Pannenhilfe. Nicht so in Italien. Im Handumdrehen hatte das Agip-Team eine kleine Elektropumpe nebst Schlauch und Kanister zur Hand und befreite den Tank vom öligen Treibstoff. Dann Benzin nachgefüllt und weiter ging die Reise. Für das Bike ist alles glücklich ausgegangen, für die beiden nachfolgenden Fahrer allerdings weniger – sie wurden für zwei Kilometer erst einmal eingehüllt in einer dicken Rußwolke, die in Stuttgart wohl zur Evakuierung der Innenstadt geführt hätte. Aber zum Glück waren wir ja nicht in Schwaben, sondern im Aostatal. Wir sagen nach diesem Erlebnis noch einmal ein herzliches Dankeschön an das tolle Agip-Team an der SS26 bei Morgex und ein Hoch auf alle Tankstellenbesatzungen, bei denen Service nicht nur behauptet wird, sondern von Bikern auch noch echt erlebt werden kann!